Archiv für Januar 2012
Nächtlicher Beitrag zur Denkmaldebatte [Info]
Nach Bekanntwerden der mordenden Nazi-Terrorgruppe »NSU«, dem Einzug der NPD in den Stadtrat und der antisemistischen Schändung des jüdischen Friedhofs hat auch die Oldenburger Sozialdemokratie erkannt, dass antifaschistisches Handeln dringend geboten ist. Ende Januar veröffentlichte der SPD-Unterbezirk nun einen Aktionsplan zur Erinnerung an den 29. Mai 1932. Bei den Landtagswahlen an jenen Tag vor 80 Jahren erhielt die NSDAP im damaligen Freistaat Oldenburg zum ersten Mal in einem Länderparlament die absolute Mehrheit. Neben der Einführung eines »kommunalen Fonds für Toleranz und gegen Rechtsextremismus«, durch welchen »Initiativen, Kampagnen und Aktionen gegen Rechtsextremismus« unbürokratisch mit kleineren Beträgen finanziell unterstützt werden sollen, regt die SPD von der Stadtverwaltung organisierte Gedenk- und Erinnerungsveranstaltungen »zur Judenverfolgung in Oldenburg und zur Folterung und Ermordung von Patienten in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen« und zur so genannte Kwami-Affäre (trotz Drohungen der NSDAP fand am 20. September 1932 vor rund 2.000 Menschen eine Predigt des ghanaischen Pastors Robert Kwami in der Lambertikirche statt) an. Ebenso nimmt sie einen alten (und 2009 noch von der SPD abgelehnten) Vorschlag der Linkspartei zur Umbenennung der Hedwig-Heyl-Straße [1] [2] in Bürgerfelde wieder auf. Heyl war Vorsitzende des »Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft«, agitierte gegen »Mischehen« und »Verkafferung« und lobte Hitler als »getreuen Eckehart des Volkes« und »wirklich edlen Mann«. Die Linkspartei hat ebenfalls ihren alten Vorschlag nach Umbennung wieder auf die Agenda gesetzt und auch schon eine neue Namengeberin für die Straße vorgeschlagen: die jüdische Widerstandskämpferin Ruth de Jonge. »Ruth de Jonge lebte mit ihrer Familie Mitte der 1930er Jahre in Oldenburg. Ihr Vater wurde von Oldenburg aus nach dem sog. Judengang mit vielen anderen Jüdinnen und Juden in das KZ-Sachsenhausen eingeliefert. Nach seiner KZ-Haft emigrierte die Familie in die Niederlande. Nach dem die deutsche Wehrmacht – darunter auch Oldenburger Einheiten – dort eingefallen war, musste die Familie de Jonge in den Untergrund gehen. Ruth de Jonge beteiligte sich an vielfältigen Aktivitäten des antifaschistischen Widerstands, unter anderem half sie bei der Rettung zahlreicher jüdischer Kinder«, so die Linkspartei. Es regt sich also gerade so Einiges in der Stadt – vorallem in Punkto Erinnerungspolitik: Erinnerungsgang, Gedenkkreis Wehnen, Erinnerungsveranstaltungen für die ermordeten Sinti und Roma und die nach Oldenburg verschleppten ZwangsarbeiterInnen, Stolpersteine, … oder auch die neuen Vorschläge des Arbeitskreises »Erinnerung gestalten« [1] [2]. Nach wie vor ein Tabuthema scheint in Oldenburg jedoch eine Auseinandersetzung mit den TäterInnen und den ProfiteurInnen des NS-Regimes darzustellen. Weder die Rolle des Militärs, der Industrie, der Polizei, der Behörden oder der Kommunalpolitik, noch die von der NSDAP hofierten KünstlerInnen wie z.B. die Oldenburger Ehrenbürger August Hinrichs oder Bernhard Winter wurden in der (breiteren) Öffentlichkeit bisher thematisiert.
☞ »SPD erinnert an Machtübernahme der NSDAP« SPD 23.01.2012
☞ »SPD: 2012 soll Antifa-Jahr werden« Lokalteil 23.01.2012
☞ »Ruth de Jonge als neue würdige Namensgeberin« Linkspartei 25.01.2012
Nach der Verkündung des neuen Bundeswehr-Standortkonzeptes der schwarz-gelben Bundesregierung am 26. Oktober 2011 war die Freude noch groß bei NWZ, Stadtverwaltung und sonstigen Militärfreaks: Oldenburg sollte demnach als großer Militär-Standort erhalten bleiben. Als Ersatz für den sicher bevorstehenden Abzug der Stabskompanie und den zwei Kompanien des Luftlandeunterstützungsbataillon 272 der Luftlandebrigade 31 mit etwa 1000 SoldatInnen, sollte der hochdekorierte Stab der 1. Panzerdivision aus Hannover, der »Ausbildungsstützpunkt Luftlande und Lufttransport«, sowie die »Sportfördergruppe der Bundeswehr« aus dem bayrischen Altenstadt in die Henning-von-Tresckow-Kaserne im Stadtteil Bümmerstede verlegt werden [Info].
Durch diese Umstrukturierung sollten sich die Bundeswehr-Dienstposten in Oldenburg nur leicht von 1280 auf angeblich 1220 reduzieren. »Weniger Köpfe, mehr Sterne«, sagte OB Schwandner damals erleichtert – sprach doch bei sachlicher Betrachtung eigentlich nichts für den Erhalt des hiesigen Standortes. Doch inzwischen verfinstern sich die Mienen der Oldenburger Bundeswehr-FreundInnen wieder merklich – denn der Standort ist gehörig am Wanken. (mehr…)
»Vieles deutet daraufhin, dass die bundesweite Großdemonstration der Nazis in Dresden am Wochenende nach dem 13. Februar Geschichte ist. Wir sind 2009 angetreten den letzten bundesweiten Großaufmarsch der Nazis auf den „Müllhaufen der Geschichte“ zu befördern. 2010 haben die Nazis eine Niederlage erlitten, 2011 haben wir ihnen ein Desaster bereitet, machen wir 2012 den Sack zu! Wir mobilisieren deswegen weiterhin für den 18. Februar nach Dresden. Aber auch am 13. Februar gilt die Parole: No Pasaran! – Sie kommen nicht durch!« (mehr…)
☞ Aus Oldenburg wird es auch 2012 wieder eine Busfahrt gen Osten geben. Tickets gibt es Montags und Donnerstags ab 21 Uhr im Alhambra [Kontakt: oldenburg-dresden@web.de]. Eine Infoveranstaltung dazu findet am Montag, dem 30.01.2012 um 20.00 Uhr im Alhambra statt.
»Boys Don‘t Cry« Sonntag, 29. Januar um 20 Uhr im Alhambra:
»Als Brandon Teena nach Falls City, Nebraska, kommt, schlüpft er in diese Stadt, als sei sie seine zweite Haut. Innerhalb kurzer Zeit hat er sich eingelebt, hat Freund_innen gefunden und sich verliebt. Es hängt jedoch ein Schatten über Brandons Leben: ein Gerichtstermin wegen eines Autodiebstahls, eine bewegte kriminelle Vergangenheit und ein scheinbar harmloses Strafmandat wegen zu schnellen Fahrens, das zu seinem Verhängnis führen könnte. Warum? Weil, wie es sich herausstellt, Brandon Teena als Teena Brandon geboren wurde, und seine Transidentität bisher verheimlichte.«
Dieser Film basiert auf einer realen Begebenheit, die sich 1993 zutrug und in einer Tragödie endete: Brandon wurde von zwei seiner vermutlich besten Freunde vergewaltigt und anschließend ermordet.
Der Wohnraummangel in der Huntestadt treibt schon seit mehreren Jahren die Mieten in astronomische Höhen. Während die ImmobilienbesitzerInnen frohlocken, verzweifeln immer mehr OldenburgerInnen an der Frage, wie sie die Kohle für die Miete des nächsten Monats zusammenkratzen sollen. Und eine Trendwende scheint nicht in Sicht. Nach einem Ranking des Immobilien-Internetportals »Immobilienscout24« hat Oldenburg jetzt sogar die zweithöchsten Mieten in Norddeutschland – nur Hamburg ist teurer. Im Durchschnitt 7,12 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter muss man nach dem Ranking in Oldenburg hinlegen und damit mehr als z.B. in Hannover (6,58 Euro) oder Bremen (6,32 Euro) . Die Angaben gelten allerdings nur für Neuvermietungen, da bereits vermietete Wohnungen nicht erfasst wurden.
☞ »Oldenburg hat die höchsten Mietpreise in Niedersachsen« NWZ 27.01.2012
☞ »New York, Tokio, Oldenburg« NDR 27.01.2012
Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, legt alljährlich der »Freundeskreis für Sinti und Roma in Oldenburg e.V.« und die Stadt Oldenburg Kränze an dem 1989 zur Erinnerung an die 74 von den NationalsozialistInnen deportierten und ermordeten Oldenburger Sinti und Roma errichteten Gedenkstein nieder. Treffpunkt ist am Freitag, dem 27. Januar um 12 Uhr am Gedenkstein am Friedhofsweg beim ehemaligen Ziegelhof. Danach gibt es im Gemeindehaus der Kirchengemeinde der Auferstehungskirche wieder Getränke und Brot oder Kuchen und die Möglichkeit für gemeinsame Gespräche. Hier nun noch ein Videobericht über die Veranstaltung im letzten Jahr [via Geschichte-mitmachen].
Und noch ein Veranstaltungstip: Am Donnerstag, dem 26. Januar liest Klaus-Michael Bogdal (Uni Bielefeld) ab 19.30 Uhr im Cafe IBIS, Klävemannstraße 16 aus seinen Buch »Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung« [Flyer]. Eine Buchbesprechung vom Deutschlandradio findet ihr hier.
Pressemeldung der Polizei Oldenburg vom 23.01.2012 | 11:40 Uhr:
»Oldenburg (ots) In der Zeit von Freitagnachmittag bis Sonntagvormittag hebelten bislang unbekannte Täter die Scheibe eines Gemeindehauses am Hartenkamp auf und verschafften sich so Zutritt zu den Räumlichkeiten. Im weiteren Verlauf brachen die Einbrecher Schränke im Bereich der dortigen Bücherei auf. Entwendet wurde eine Spardose mit rund EUR 20,- Bargeld sowie eine zur Zeit unbekannte Anzahl von Büchern.«
☞ Mehr »Kriminalität« gibt es hier.
Am 21. Januar demonstrierten in Oldenburg etwa 300 Beschäftigte der niedersächsischen Diakonie für einen Tarifvertrag und damit für die Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht, welches z.B. ein Streikverbot beinhaltet. Bei diesem sogenannten »Dritte Weg« werden die Löhne und Arbeitsbedingungen von einer arbeitsrechtlichen Kommission, welche paritätisch mit ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen besetzt ist, festgesetzt – und dies zumeist zum Nachteil der Beschäftigten.
Erst kürzlich haben die KollegInnen am Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg einen Haustarifvertrag und damit einhergehend Löhnerhöhungen erstritten – dies soll nun auch für alle diakonischen Einrichtungen in Niedersachsen durchgesetzt werden.
☞ »Demonstration für Tarifvertrag bei Diakonie« NWZ 23.01.2012
☞ »Verdi ruft Diakonie-Beschäftigte zu Demonstration« NWZ 20.01.2012
Am Samstag, dem 21.01.2012 spricht Bernard Schmidt auf Einladung des Infoladens Roter Strumpf um 18 Uhr im Alhambra über die Aufstände in Nordafrika: »Als 2011 die Menschen in nordafrikanischen Ländern auf einmal gegen die Regime auf die Straßen gingen, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass diese Proteste mehrere Regime stürzen und die gesamte politische Landschaft der Region grundlegend umkrempeln würde. Die hiesige politische Klasse feierte die Proteste schnell als Sieg der Demokratie und der ‚westlichen’ Werte, obwohl es doch genau ihre engsten Bündnispartner waren, die dort gestürzt werden sollten. Welche sozialen und politischen Hintergründe bestimmen die Proteste wirklich? Welche fundamentalen Unterschiede gibt es zwischen den Bewegungen z.B. in Libyen und Ägypten? Wo stehen die Bewegungen heute? Und was hat das eigentlich alles mit uns, der linken Bewegung in der BRD zu tun?
Der Referent Bernard Schmid lebt in Paris, arbeitet für eine antirassistische NGO und publiziert regelmäßig auf deutsch und französisch, u.a. in analyse und kritik, Jungle World, Labournet. Er ist Autor mehrerer Bücher – zuletzt 2011 „Die arabische Revolution – Soziale Elemente und Jugendproteste in den norafrikanischen Revolten“«.